Nivinia
Admin
Vorname : Varinia
Anzahl der Beiträge : 530
Ort : Dortmund
Punkte : 6434
Ruf : 106
Anmeldedatum : 17.09.08
|
Thema: Monatliche Arbeitslosenzahlen - Was die offizielle Statistik verbirgt So 02 Aug 2009, 09:26 |
|
|
Monatliche Arbeitslosenzahlen Was die offizielle Statistik verbirgt
Millionen Menschen in Deutschland sind arbeitslos. Die genaue Zahl veröffentlicht die Bundesagentur für Arbeit jeden Monat. Doch nicht jeder Erwerbsfähige, der einen Job sucht, taucht in der Statistik auf. tagesschau.de erklärt in Fragen und Antworten, wer aus welchen Gründen fehlt.Ist die Arbeitslosenstatistik geschönt?
Ja und Nein. Denn wer als arbeitslos gilt, ist eine Frage der Definition. Die offiziellen Kriterien sind in Deutschland per Gesetz festgelegt. Jede Änderung wirkt sich auf die Statistik aus. Immer wieder formulierte die Politik die Kriterien so um, dass die Arbeitslosenzahlen offiziell sanken. Eine Ausnahme markierte die Hartz-IV-Reform, weil die erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger in die Statistik einbezogen wurden. Laut Bundesagentur für Arbeit erhöht dieser Hartz-IV-Effekt die Arbeitslosenzahl um etwa 380.000.
Wer gilt als arbeitslos?
[Bildunterschrift: Die deutsche Definition von Arbeitslosigkeit unterscheidet sich von anderen Staaten. ]
Im Prinzip jeder, der keine Arbeit hat oder weniger als 15 Stunden pro Woche arbeitet, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sucht und für einen Job sofort verfügbar ist. Eine weitere Voraussetzung ist die Meldung bei einer Agentur für Arbeit oder einem Träger der Grundsicherung. Detailvorschriften führen aber dazu, dass viele die weit gefassten Kriterien in der Praxis nicht erfüllen und in der Arbeitslosenstatistik nicht auftauchen.
Wer fehlt in der Arbeitslosenstatistik?
Wer sich nicht zur Arbeitssuche meldet, taucht in der Statistik nicht auf. Gleiches gilt für alle, die nicht mindestens 15 Stunden pro Woche arbeiten könnten oder krankgeschrieben sind. In der Arbeitslosenstatistik fehlen aber vor allem jene, die an Maßnahmen der Arbeitsförderung teilnehmen. Das betrifft die Fort- und Weiterbildung genauso wie Trainings- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Auch wer einen Ein-Euro-Job hat, ist offiziell nicht arbeitlsos. Eine Sonderregelung gilt für alle ab 58 Jahren. Wer in diesem Alter mindestens ein Jahr Arbeitslosengeld II (Hartz IV) bezogen, aber kein Job-Angebot bekommen hat, ist laut Statistik nicht arbeitslos. Seit 2009 erfasst die offizielle Arbeitslosenzahl auch diejenigen nicht mehr, mit deren Vermittlung private Anbieter beauftragt sind.
Wie hoch sind die Arbeitslosenzahlen wirklich?
Wie viele Jobs in Deutschland fehlen, lässt sich nur schätzen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) addiert zu diesem Zweck die registrierten Arbeitslosen und die so genannte Stille Reserve. Damit meinen die Forscher die Teilnehmer an Maßnahmen der Arbeitsförderung sowie all jene, die arbeiten wollen, aber nicht in der Statistik auftauchen. Für 2008 bezifferte das IAB die Stille Reserve auf 1,15 Millionen.Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Er errechnete für 2008 eine verdeckte Arbeitslosigkeit von 1,19 Millionen Menschen. Darin enthalten sind jene, die an Fortbildungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen teilnehmen. Die Zahl umfasst auch Frührentner bis 65 Jahre sowie Empfänger von Arbeitslosengeld I und II, die lediglich aus Altersgründen oder wegen Krankeit nicht offiziell arbeitslos sind.Die Bundesagentur für Arbeit (BA) veröffentlicht neben der Arbeitslosenzahl weitere Werte, um die Lücke fehlender Jobs zu verdeutlichen. Die sogenannte Unterbeschäftigung übersteigt die offizielle Arbeitslosenzahl um etwa eine Million. Sie berücksichtigt auch Teilnehmer an Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik sowie jene, die aus gesundheitlichen Gründen vorübergehend berufsunfähig sind. BA-Chef Frank-Jürgen Weise hält allerdings die Zahl der Arbeitssuchenden für den entscheidenden Wert. Er übertrifft die Unterbeschäftigung um weitere rund 1,5 Millionen. Mitte 2009 galten demnach fast sechs Millionen Menschen in Deutschland als arbeitssuchend. Diese Zahl umfasst auch alle, die sich zwar um einen neuen Job bemühen, aber noch nicht arbeitslos sind. Das sind zum Beispiel Beschäftigte, die nach einer Kündigung noch die letzten Tage oder Wochen arbeiten.
Ist jeder arbeitlos, der Arbeitslosengeld I oder II bekommt?
[Bildunterschrift: Nur knapp die Hälfte der Empfänger von Arbeitslosengeld II ist offiziell arbeitslos. ]
Nein. Nach Angaben der Bundesregierung werden nur etwa drei Viertel der Bezieher von Arbeitslosengeld I als arbeitslos geführt. Beim Arbeitslosengeld II, bekannt als Hartz IV, tauchte 2007 sogar nur knapp die Hälfte der Empfänger in der Arbeitslosenstatistik auf. Der Rest stand dem Arbeitsmarkt aus verschiedenen Gründen formal nicht zur Verfügung oder nahm an einer Fördermaßnahme teil. Eine weitere Gruppe sind Aufstocker. Sie arbeiten zwar mindestens 15 Stunden in der Woche und gelten deshalb nicht als arbeitslos. Weil ihr Einkommen für den Lebensunterhalt aber nicht reicht, bekommen sie zusätzlich Arbeitslosengeld II.
Was sind saisonbereinigte Zahlen?
Im Verlauf eines Jahres gibt es ein typisches Auf und Ab der Arbeitslosigkeit. In der Regel steigt die Quote im Winter und fällt in den Sommermonaten. Dafür verantwortlich sind Branchen wie die Bauwirtschaft. Aber auch regelmäßige Termine wie Schulferien beeinflussen die Arbeitslosigkeit. Für diese saisontypischen Schwankungen berechnen die Statistiker Durchschnittswerte. Dieser von Monat zu Monat unterschiedlich ausgeprägte Effekt wird von den Arbeitslosenzahlen abgezogen. Das Ergebnis sind saisonbereinigte Zahlen. Diese eignen sich besser, um den wirklichen Trend auf dem Arbeitsmarkt zu erkennen, der hauptsächlich auf der konjunkturellen Entwicklung basiert.
Trickst Deutschland stärker als andere Länder?
Nein. Jedes Land definiert Arbeitslosigkeit anders, aber die deutschen Kriterien sind relativ weit gefasst. Schätzungen zufolge würde sich zum Beispiel die Arbeitslosenquote in den Niederlanden verdoppeln, wenn dort die deutsche Definition gälte.
Ist die deutsche Arbeitslosenquote international vergleichbar?
[Bildunterschrift: Wegen unterschiedlicher Definitionen ist die deutsche Arbeitslosenquote international nicht vergleichbar. ]
Nein. Für internationale Vergleiche gelten die Kriterien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Deren Regeln für die Berechnung der nationalen Erwerbslosenquote unterscheiden sich stark von den deutschen Vorgaben. Laut ILO endet Arbeitslosigkeit beispielsweise bereits, wenn jemand mindestens eine Stunde pro Woche arbeitet. Die Zahlen auf Basis dieser Regeln berechnet das Statistische Bundesamt mit Hilfe einer stichprobenartigen Befragung. Die Bundesagentur für Arbeit greift dagegen auf die vollständigen Daten des eigenen Hauses zurück. Die offizielle deutsche Arbeitslosenquote ist in der Regel etwas höher als die ILO-Erwerbslosenquote für Deutschland.
Welche Arbeitsmarktstatistiken sind wichtig?
Neben dem monatlichen Arbeitsmarktbericht der Bundesagentur für Arbeit und der Erwerbslosenquote nach ILO-Standard ist die Beschäftigtenstatistik interessant. Sie gibt an, wie viele Menschen erwerbstätig sind. Für 2008 errechnete das Statistische Bundesamt einen Durchschnittswert von 40,3 Millionen.
Zeigt die Statistik, wie gut Arbeitsmarktpolitik wirkt?
DerErfolg oder Misserfolg von Arbeitsmarktreformen lässt sich nicht direkt aus den monatlichen Zahlen ablesen. Einzelauswertungen zu Regionen oder bestimmten Gruppen geben aber oft Hinweise darauf, wo Arbeitsmarktpolitik wirkt und wo nicht. Das gilt besonders, wenn Entwicklungen über einen Zeitraum von mehreren Monaten oder Jahren statistisch untersucht werden.
Sind aktuelle Arbeitslosenzahlen mit früheren vergleichbar?
Nicht ohne Weiteres. Trends lassen sich durchaus erkennen. Weil aber die Berechnungsregeln für die Statistiken immer wieder geändert wurden, sind aktuelle Zahlen nicht direkt mit früheren vergleichbar.
Weiß man, wie viel offene Stellen es gibt?Nein. Mehr dazu hier.
[Quelle: Tagesschau.de)
|
|